Bier mit Geschichte: Tradition, die man schmeckt

Beitrag veröffentlicht am: 20.10.2025 Kategorien: Alle News Praxis
v.l.: Schachermayer Experte Christian Frühwirth und Augustiner Braumeister Johannes Höplinger vor einem der Gärbottiche. Seit über 400 Jahren wird hier natürliches, regionales Bier gebraut. © SCH/M.Reichl

#PRAXIS | Johannes Höplinger ist Braumeister in Salzburg. Sein Arbeitsplatz seit stolzen 19 Jahren: das Augustiner Bräu in Salzburg Mülln, das mehr an ein lebendiges Museum erinnert als an eine moderne Produktionsstätte. Hier arbeiten insgesamt knapp 50 Menschen mit den unterschiedlichsten beruflichen Hintergründen. Vom Koch bis hin zum Mechatroniker hat sich hier ein besonderes Sammelsurium an gelernten Berufen etabliert. Speziell sind auch Maschinen und Werkzeuge, die schon seit 1907 zuverlässig ihren Dienst tun und einen angenehmen Charme verbreiten. „Wir haben hier eine super Truppe, die an einem Strang zieht“, sagt er mit sichtbarem Stolz. Und genau deshalb können hier Dinge entstehen, die anderswo längst der Effizienz

zum Opfer gefallen sind.

Als Johannes begann, produzierte die Brauerei 8.000 Hektoliter Bier im Jahr. Heute sind es 23.000. Doch wer jetzt an industrielle Massenware denkt, liegt falsch. Hier entstehen Biere, die nicht pasteurisiert, nicht stabilisiert, nicht künstlich haltbar gemacht sind. Natur pur, mit einer Haltbarkeit von zwei bis drei Monaten. „Länger geht nicht, aber wir wollen es auch nicht. Unser Bier ist ein reines Naturprodukt und das soll auch so bleiben“, erzählt der Braumeister. Und die Nachfrage? Die steigt Jahr für Jahr – auch, weil die Brauerei nachhaltige Ideen umsetzt und damit dem Zeitgeist weit voraus ist. Schon 2009 wurde ein eigenes Wasserkraftwerk errichtet – unsichtbar unter den Parkplätzen, lautlos und zuverlässig. 24 KWh liefert es, Tag und Nacht. Dazu kommt Fernwärme vom nahegelegenen Krankenhaus. Geplant ist außerdem eine Photovoltaikanlage, auch wenn die Altstadtlage das Vorhaben bürokratisch erschwert. Was wie Zukunft klingt, ist hier gelebte Gegenwart: alte Traditionen, gepaart mit klugen Lösungen für morgen.

Handwerk auf dem Kühlschiff

Bei der Führung durch die Brauerei fühlt man sich in eine andere Zeit versetzt. Der Geruch, das Ambiente und nicht zuletzt die über 100 Jahre alte Technik verleiht der gesamten Produktion einen unwiderstehlichen Charme, der sich im Geschmack wiederfindet. Das „Kühlschiff“, ein gewaltiger Stahlbottich von 1907, wird täglich gefüllt, geleert und von Hand gereinigt. Viermal am Tag. „Da steigt ein Mitarbeiter rein und schrubbt“, erzählt Höplinger mit einem Schmunzeln. Hier kühlt die Würze noch mit Luft und Schwerkraft ab, nicht durch Pumpen und Hochtechnologie. Das dauert länger, ist mühsamer – aber man schmeckt den Unterschied. Die Gäste lieben die so entstehenden einzigartigen Aromen.

Rezepte mit Charakter

Auch die Bierrezepte sind keine starren Formeln. Hopfen und Malz verändern sich von Jahr zu Jahr, die Brauer passen die Rezeptur je nach Qualität der Ausgangsmaterialien an. Wissenschaft und Bauchgefühl gehen hier Hand in Hand. Und weil Tradition zählt, gibt es nicht nur das klassische Märzen, sondern auch Fastenbier, Weihnachtsbier und sogar Bier aus Holzfässern, die innen mit Pech ausgekleidet sind. „Das Bier aus dem Holzfass schmeckt anders als aus der Flasche“, erklärt Höplinger. „Die Naturverpackung verleiht dem Bier eine spezielle Note – das ist unvergleichlich.“ Unten im Lagerkeller reift das Bier acht bis zehn Wochen, das Weihnachtsbier sogar bis zu 16 Wochen. Keine Tricks, keine Zusätze – nur Geduld. Das CO2 stammt aus der natürlichen Gärung, das Aroma von Hopfen, Malz, Hefe und jeder Menge Erfahrung. Doch die Entwicklung der Brauerei bleibt nicht stehen: eine neue Anlage zur Kistenpalettierung sowie ein Roboter, der harte Handarbeit erleichtert sind bereits bestellt. Die Mischung aus Tradition und Moderne zeigt sich auch in der Abfüllung: 2019 kam eine neue Linie hinzu, die 7.000 Flaschen pro Stunde schafft – nachhaltig, effizient und wiederverwendbar, mit den guten alten Euroflaschen.

Bier holen wie früher

Eine weitere Besonderheit der Brauerei ist die Schank. Hier darf man sich sein Bier noch selbst holen – direkt vom Fass. Wer mag, bringt den eigenen Krug mit, wäscht ihn vor Ort selbst aus und zapft sich anschließend das frische Bier. Dieses kleine Ritual macht den Besuch zu einem Erlebnis, das man so kaum mehr findet.

Bier mit Seele

Trotz des Erfolgs bleibt das Augustiner Bräu bescheiden. Das Bier wird nur im Umkreis von 50 Kilometern vertrieben, an 23 ausgewählte Wirtshäuser und sechs Getränkehändler. Zwischen alten Maschinen, Holzfässern und moderner Technik entsteht Bier mit Charakter – getragen von Menschen, die mit Leidenschaft bei der Sache sind. Hier wird nicht auf maximale Haltbarkeit, sondern auf maximalen Geschmack gesetzt. Dieses Bier ist mehr als ein Getränk. Es ist ein Stück lebendige Kultur.

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